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Stories – People & Planet

People & Planet – Expertensicht

Regeln brechen, für eine bessere Zukunft.

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Über Bertrand Piccard

Bertrand Piccard ist Psychiater und Abenteurer. Zusammen mit Brian Jones war er 1999 der erste Mensch, der die Erde in einem Ballon umrundete. 2015 bis 2016 gelang ihm gemeinsam mit André Borschberg die Weltumrundung in einem solarbetriebenen Flugzeug, der Solar Impulse. Bertrand Piccard ist seit 1989 mit Michèle Piccard verheiratet, mit der er drei erwachsene Töchter hat. Seine gemeinnützige Solar Impulse Foundation hat bis heute 1450 nachhaltige Technologien identifiziert, gefördert und mit dem Label “Solar Impulse Efficient Solution” ausgezeichnet.

Am 21. April 2016 steht Bertrand Piccard vor seinem vielleicht grössten Wagnis: einem dreitägigen Non-Stop-Flug über den Pazifik im Cockpit seines Solarflugzeugs Solar Impulse. Er schreibt eine letzte SMS an seine Familie und erhält prompt Antwort von seinen drei Töchtern: “Lang lebe der Entdeckergeist!»

Schon Piccards Grossvater, der Experimentalphysiker Prof. Auguste Piccard, war eine lebende Legende. 1931 stiess er mit einem Heissluftballon als erster Mensch in die Stratosphäre auf eine Höhe von 15’781 Metern vor. Verewigt hat ihn der berühmte Comic-Zeichner Hergé in der Figur des Prof. Bienlein in Tim und Struppi. Und dann war da auch Bertrand Piccards Vater, Jacques, der 1960 gemeinsam mit einem Marineleutnant im selbstkonstruierten U-Boot den tiefsten Punkt der Erde erreichte, den Marianengraben 10’916 Meter unter Meer.

Neugier ist kein Selbstzweck

Jules Vernes hätte seine Freude an dieser Familie gehabt. Doch nie waren deren Abenteuer und Rekorde Selbstzweck. Jede Grenzerfahrung hatte ein inhaltliches Ziel: die Welt besser zu verstehen und sie zu einer besseren zu machen. So gelang es Auguste Piccard, in der Stratosphäre einen Teil der Relativitätstheorie experimentell nachzuweisen; ein gewisser Albert Einstein war wissenschaftlicher Partner des Experiments. Jacques Piccard wiederum konnte durch seinen Tauchgang zeigen, dass auch in der Tiefsee Strömungen herrschen – und warnte vor der dortigen Versenkung radioaktiver Abfälle. Und Piccard der Dritte? Er wollte und will mit seinen Projekten vor allem Impulse setzen für eine nachhaltigere Zukunft. Daher auch der Name des Solarflugzeugs Solar Impulse, in dem er abwechselnd mit André Borschberg die Welt umflog. “Du fliegst ohne jedes Geräusch, hast die Sonne vor Augen, die dir ihre Energie schenkt, und du könntest ewig weiterfliegen, ohne einen Gramm CO2 auszustossen”, erzählt Bertrand Piccard. “Es fühlte sich an, als flöge ich durch die Zukunft.»

“Abenteuer im 21. Jahrhundert ist nichts anderes als mit Pioniergeist die Lebensqualität zu entwickeln, auf die heutige und künftige Generationen ein Anrecht haben.”

In der Hauptrolle: neue Technologien

Waren die Technologien bei Piccards Ahnen vor allem Mittel zum Zweck, spielen sie bei ihm die Hauptrolle. Sie sind für Piccard der Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft und gleichzeitig eine Art Friedensstifterin zwischen Wirtschaft, Mensch und Umwelt. Während ökologische Bewegungen seit einem halben Jahrhundert verkünden, Mensch und Wirtschaft müssten sich zum Schutze der Umwelt einschränken, glaubt Piccard an eine Vereinbarkeit der scheinbaren Gegensätze – dank nachhaltigen Technologien. Deshalb fördert er mit seiner Solar Impulse Foundation bis heute 1450 umweltfreundliche Technologielösungen weltweit. “Wir können die Umwelt nicht schützen, indem wir die Wirtschaft schrumpfen”, sagt er.

Regeln sind nur Ausdruck unserer Zeit

Allerdings weiss Piccard aus Erfahrung, wie schwierig neue Technologien durchzusetzen sind. “Ich habe immer noch Berechnungen aus der Flugzeugindustrie, die mir nach allen Regeln der Physik beweisen sollten, dass die Solar Impulse nicht gebaut werden könne”, erzählt Piccard. Zu gross und zu schwer würde das Solarflugzeug werden. 

“Es sind immer nur wir Menschen, unsere Regeln und Routinen, die unsere Neugier einschränken.”

Neugier als Schlüssel für den unternehmerischen Erfolg

Der Ursprung jedes Forschergeists steckt in der Kindheit, denn Kinder sind von Natur aus Forschende. Er selbst, so Piccard, sei ein Albtraum für Lehrerinnen und Lehrer gewesen. “Ich akzeptierte keine Regeln, wenn ich sie nicht selbst verstand." Immer war er voller Fragen und Neugier. Nur leider würde die Neugier von Kindern häufig unterdrückt durch Eltern, Lehrpersonen oder später auch Vorgesetzte bei der Arbeit. Dagegen sieht Piccard in einer lebendigen Neugier nicht nur den Schlüssel für persönliches Glück, sondern auch für den Erfolg von Firmen. Für ihn hat jede Arbeit das Potential, zum persönlichen Abenteuer zu werden, wenn man seine Aufgaben nur stetig hinterfragt und dies auch toleriert wird. “Das ist eine Frage der inneren Einstellung, aber natürlich auch der Firmenkultur”, sagt er. Natürliche Grenzen sieht er keine für die Neugier. “Es sind immer nur wir Menschen, unsere Regeln und Routinen, die unsere Neugier begrenzen."

Aufbruch in neue Dimensionen

Deshalb sollten Unternehmen Mitarbeitende ermuntern, Risiken einzugehen, Regeln zu hinterfragen, “out of the box” zu denken und stetig neue Perspektiven zu erkunden. Wieder findet Piccard eine Analogie zu seinen Abenteuern, dieses Mal zur Ballonfahrt. Denn ein Gas- oder Heissluftballon selbst kann sich nur in der Vertikalen bewegen, hoch und runter. Will der Ballonfahrer jedoch ein Ziel erreichen oder gar wie Piccard 1999 die Welt umrunden, dann muss er auf der vertikalen Achse die richtigen Winde finden. Die Voraussetzung einer erfolgreichen Ballonfahrt ist also das Denken und die Bewegung in mehreren Dimensionen – eine Erkenntnis, die auch für Technologiefirmen erhellend ist. Statt in einem Level zu verharren und auf die richtigen Winde zu hoffen, muss ein erfolgreiches Unternehmen mit Neugier und Forschergeist ständig neue Dimensionen erkunden, um in die gewünschte Richtung vorzustossen.