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Stories – Trends

75 Jahre Comet – wie Comet eine bessere Zukunft erkundete

Erleuchtet, oder: die stärkste Röntgenröhre der Welt.

Mit der Entwicklung der 600-kV-Röntgenröhre gelingt Comet, was noch niemandem vor ihr gelungen ist. Doch der Weg zum Erfolg war lang und steinig.

“Comet schafft Durchbruch mit Röntgenverfahren”, titelt die Schweizer Wirtschaftszeitung “Finanz und Wirtschaft” am 15. Oktober 2011. Die bahnbrechende Neuerung besteht in einer Kombination von Gross und Klein: Selbst grösste Objekte lassen sich dank Comet-Technologie zerstörungsfrei auf kleinste Fehler prüfen. Oder in den Worten der Zeitung: “Es lassen sich in Bauteilen in der Grösse von mehreren Quadratmetern Strukturen erkennen, die kaum dicker sind als ein menschliches Haar." Möglich macht dies die 600-kV-Röntgenquelle, welche dreidimensionale Bilder in höchster Auflösung ermöglicht.

Dieser technologische Durchbruch wäre Comet beinahe verwehrt geblieben. Rückblick: 2006 muss die Abteilung Röntgenröhren, die heutige Division Industrial X-Ray Modules (IXM), konstatieren, dass ihre leistungsfähigsten Röhren, diejenigen mit 450 Kilovolt (kV) Betriebsspannung, den Bedürfnissen zahlreicher Kundinnen und Kunden nicht mehr genügen. Sie benötigen Röntgenröhren, mit denen noch grössere Erzeugnisse und dichtere Materialien in kurzer Zeit geprüft werden können – zum Beispiel Frachtcontainer aus Stahlblech am Zoll oder hochabsorbierende Turbinenschaufeln von Flugzeugtriebwerken bei der zerstörungsfreien Materialprüfung. Der Auftrag an die R&D-Abteilung ist somit klar: Eine neue Röntgenröhre mit 600 Kilovolt Leistung muss her!

Nur: Wie lassen sich 600 kV, also 600’000 Volt und somit das 40-Fache der Spannung einer S-Bahn-Fahrleitung, in einer 35 Zentimeter langen Metall-Keramik-Röhre zuverlässig über mehrere Tausend Stunden isolieren? Bislang hat das noch niemand geschafft. Die Entwicklerinnen und Entwickler der Abteilung Röntgenröhren machen sich an die Arbeit.

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Eine zehn Zentimeter dicke Stahlschicht wird vier Minuten lang bestrahlt, zuerst mit einer 450-kV-Röntgenröhre (links), danach mit einer 600-kV-Röntgenröhre (rechts). Letztere liefert ein deutlich detaillierteres Bild (Bavendiek, Heike, Kosanetzky et al.: Best Energy Selection for Different Applications with DDAs – from 20 keV to 600 keV, 2011).
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Über Adrian Riedo

Maschineningenieur Adrian Riedo arbeitet seit über 25 Jahren bei Comet, zuerst als R&D Project Manager, dann als Head of R&D X-Ray Tubes, als Technology Specialist und seit 2020 als Director Technology Group IXM. Er verkörpert den Geist der zahlreichen langjährigen Mitarbeitenden bei Comet und ist Präsident des 10er-Clubs. Sein jüngster Streich: die Erfindung der MesoFocus-Röhrentechnologie.

Wolfram soll’s richten

Bald aber wird auch dem Projektteam in Flamatt klar, weshalb sich bislang kein Mitbewerber an die Entwicklung einer 600-kV-Röntgenröhre gewagt hat. Die erste Herausforderung: Die Röntgenquelle braucht einen Generator, der eine Betriebsspannung dieser Höhe überhaupt erst erzeugen kann. Einen solchen gibt es auf dem Markt nicht, weshalb sich die Entwicklungsarbeit für Comet kurzerhand verdoppelt.

Eine weitere Schwierigkeit: Bei 600 kV Betriebsspannung lässt sich die Strahlung nicht durch einen Bleimantel abschirmen wie bei herkömmlichen Röntgenröhren, weil dieser viel zu dick und zu schwer wäre. Stattdessen verwenden die Entwickler eine Wolfram-Legierung in der Anode. Das für Röntgenstrahlen hochabsorbierende, chemische Element soll die Strahlung dort abschirmen, wo sie entsteht. Doch auch dieses Verfahren birgt Herausforderungen. Der damalige Entwicklungs- und Projektleiter Adrian Riedo erinnert sich, dass das eingeschworene Entwicklerteam in dieser "heissen Phase” selbst die Wochenenden durchgearbeitet habe.

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Das komplette System: Generator, Controller, Kühler und 600-kV-Strahler.

Die harte Arbeit und der Durchhaltewillen zahlen sich aus. Im Herbst 2011 hat es Comet geschafft: Die 600-kV-Röntgenröhre ist marktreif – und findet sofort Käuferinnen und Käufer weltweit. Ein chinesischer Kunde setzt sie zur Prüfung von Keramikplatten für die Luft- und Raumfahrt ein, etwas später bestellt ein Kunde aus den USA für mehrere Hunderttausend CHF gleich zehn Module auf einmal – Röhre, Hochspannungsgenerator, Controller und Kühler.

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Über Christoph Walther

Christoph Walther ist Physiker und arbeitet seit über 11 Jahren bei Comet. Als eine seiner frühen Aufgaben bei Comet wurde ihm die Leitung der Taskforce zur Optimierung der 600-kV-Röhre übertragen. 2014 wurde Walther, der an der ETH Zürich zum Thema “Terahertz quantum cascade lasers” dissertiert hat, Director R&D X-Ray Tubes.

Eine Taskforce muss her

Jetzt, da die Nachfrage an Fahrt gewinnt, stellen sich plötzlich neue Herausforderungen: Produktmängel und “Kinderkrankheiten” in der Anwendung müssen behoben werden, um den eigenen und den Kunden-Ansprüchen zu genügen. Nichts Aussergewöhnliches bei Innovationen, aber Grund genug zum sofortigen Handeln.

2013 nimmt sich eine zwölf-köpfige Taskforce unter der Leitung des Physikers Christoph Walther den technologischen Problemen an. Schon bald entdeckt sie eine der Ursachen für die Probleme: Wegen der Keramikisolierung können die elektrischen Ladungen im Innern der Röhre nicht abfliessen und es kommt zu Durch- und Überschlägen. Zusammen mit Lieferanten aus den USA und der Comet Fertigungstechnik entwickeln Walther und sein Team eine neuartige, hauchdünne Beschichtung aus Chromoxid, welche die Ladung abfliessen lässt. “Die neuartige Beschichtung ist so leitfähig wie nötig und so isolierend wie möglich”, sagt Walther. “Die Schwierigkeit bestand darin, die richtige Balance zu finden." 2017 wird die Chromoxid-Beschichtung zum Standard bei allen Comet-Röntgenröhren ab 320 kV. Seitdem hat sich der Produktionsausschuss deutlich reduziert.

Um eine wichtige Erfahrung reicher

Seit der Marktreife im Jahr 2011 hat Comet das 600-kV-Modul über hundert Mal verkauft. Die stärkste Röntgenröhre der Welt ist damit zwar kein Bestseller, ihre Leuchtkraft ist trotzdem von erheblicher Bedeutung für die Geschichte von Comet.

Erstens: Die 600-kV-Röntgenröhre hat Comets Anspruch auf eine weltweite Technologieführerschaft unterstrichen. Zweitens hat das Projekt die Entwickler mehr als zehn Jahre lang vor immer neue Herausforderungen gestellt – bis zum finalen Erfolg. Während des Entwicklungsprozesses hat Comet Technologien entdeckt, deren Nutzen weit über das ursprüngliche Produkt hinausgeht, wie die Chromoxid-Beschichtung. Und schliesslich konnte sie neue Standards und Abläufe etablieren wie ein Testteam, das Neuprodukte auf Herz und Nieren prüft. Das alles zeigt: Die 600-kV-Röntgenröhre ist mehr als ein eindrucksvolles Stück Technologie – deren Entwicklungsgeschichte hat Comet um wichtige Erfahrungen für die Zukunft reicher gemacht.